Der Dom von Orvieto ist ein unbestrittenes Meisterwerk der spätmittelalterlichen gotischen Architektur. Aufgrund der Vielfalt der dekorativen Elemente, die perfekt zueinander passen, obwohl sie von den verschiedensten Künstlern stammen, sowie aufgrund der Meisterhaftigkeit der strukturellen Formen, ist das Gebäude betreffend die Architektur in ganz Italien einzigartig. Als Symbol der Stadt überragt und dominiert der Dom mit seiner Masse das gesamte Hochplateau, auf dem ersteht. Zu seiner Errichtung trugen einige der bekanntesten Meister des italienischen Mittelalters bei, wobei die Bauzeit über drei Jahrhunderte betrug: vom 13. bis zum 17. Jahrhundert.
Den Quellen zufolge wurde der erste Stein im Jahr 1290 auf gemeinsamen Wunsch der Kirche, vertreten durch Papst Urban IV., und der Gemeinde gelegt. Dabei mussten zwei Bedürfnisse erfüllt werden: einerseits der Ersatz der beiden kleinen Kirchen S. Maria (bischöflich) und S. Costanzo (Pfarrkirche) auf dem Hauptplatz der Stadt und andererseits die würdige Unterbringung der heiligen Reliquie des berühmten “Blutwunders” von Bolsena. Einer Legende nach begann im Jahr 1263 in der Kirche S. Cristina während der heiligen Messe die geweihte Hostie zwischen den Händen eines Priesters, der nicht zur Gänze an das Dogma der Wandlung glaubte, zu bluten. Das Blut tropfte und verschmutzte die Altardecke, den heiligen Leib, der noch heute in der gleichnamigen Kapelle im Dom verwahrt und an Fronleichnam zur Prozession getragen wird.
Das erste Bauprojekt sah eine romanische Basilika vor, wurde jedoch in eine hauptsächlich gotische Struktur umgewandelt, als Giovanni di Uguccione die Leitung der Arbeiten von Fra Bevignate übernahm. Ab 1309 wurde dem Bildhauer und Architekten Lorenzo Maitani die Fortführung des Werks übertragen, was er vortrefflich ausführte und die rechteckige Apsis, das vierbogige Fenster hinter dem Altar, die wunderschönen Dekorationen als Relief der vier Säulen im unteren Bereich der Fassaden sowie die vier Bronzeskulpturen errichten ließ, die die Evangelisten darstellen. Beim Tod des Meisters wurde der Dom von Orvieto der geschickten Kunst von Andrea Pisano anvertraut, der bereits im Dom von Florenz gearbeitet hatte und ab 1359 außerdem an die Meisterhaftigkeit von Andrea di Cione, genannt Orcagna, dem die wunderbare Mosaikdekoration und die Rosette an der Fassade zugeordnet werden.
In den folgenden Jahren ging die Leitung der Arbeiten erneut an berühmte Persönlichkeiten wie Michele Sanmicheli und Antonio da Sangallo il Giovane über und sie endeten endgültig mit der letzten Baumaßnahme in der Neuzeit, 1970, als die ursprünglichen Holztüren durch die majestätischen Bronzetüren mit Szenen zu den Werken der Barmherzigkeit ersetzt wurden, angefertigt vom sizilianischen Bildhauer Emilio Greco.
Die Fassade des Doms überragt den Platz und fasziniert die Betrachter durch das Reichtum der dekorativen Elemente, aus denen sich der Platz zusammensetzt, und durch die Größe der sich nach oben erstreckenden Struktur: Die Helligkeit der vergoldeten Mosaike, die Szenen aus dem Leben der im Himmel aufgenommenen Jungfrau Maria beschreiben, der der Dom von Orvieto geweiht ist, bildet den Hintergrund für die prächtige zentralen Rosette, die aus einer doppelten Reihe an Säulen mit gekreuzten Bögen besteht, die an den vier Seiten von den Mosaiken der Kirchenväter eingerahmt sind: hl. Augustinus, hl. Gregor der Große, hl. Hieronymus und hl. Ambrosius sowie den Figuren der Apostel und Propheten als Bildhauereien.
Die sehr viel dezenteren Seitenwände zeichnen sich hingegen durch einen Wechsel aus Reihen in Basalt und Travertin aus, der dem Gebäude das zweifarbige, weiß-dunkelgrüne Erscheinungsbild verleiht. Im Inneren zeichnet sich der Dom durch einen Grundriss in Form eines lateinischen Kreuzes sowie durch drei große und elegante Schiffe mit einem hölzernen Dachstuhl sowie mit einer entsprechenden Dekoration aus abwechselnden Streifen aus Travertin und Basalt aus, die auch außen zu sehen ist. Als Kunstwerke erwähnensert sind die Pietà (oder Kreuzabnahme) sowie die Pfeifenorgel von Ippolito Scalza. Auch in den beiden Seitenkapellen des Querschiffs befinden sich wichtige Meisterwerke: die Capella del Corporale beherbergt die heilige Reliquie des „Wunders von Bolsena“ in einem wertvollen Reliquiar, der zwischen 1337 und 1338 vom Goldschmied aus Siena Ugolino di Vieri angefertigt wurde; die Capella della Madonna di San Brizio ist mit Fresken bekannter Maler aus dem Kreis um Fra Angelico, Benozzo Gozzoli und Perugino verziert, wobei das unbeschreibliche Meisterwerk des Jüngsten Gerichts hervorzuheben ist, das zwischen 1500-03 von Luca Signorelli als Nachahmung der Fresken von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle gemalt wurde.