Inmitten der Oliventerrassen unmittelbar unterhalb des historischen Zentrums ist der Wallfahrtsort S. Damiano der wahrscheinlich beste Vertreter aller religiösen Gebäude in Assisi für Tugenden und Werte, die die Verehrung des Hl. Franziskus der Welt hinterlassen hat. In S. Damiano läuft die Spiritualität der ganzen Stadt zusammen, da hier abgesehen von den Legenden ein besonders wichtiger Ort für das Leben der beiden berühmten Heiligen aus Assisi war. Hier fand sich der damals noch junge, aufstrebende Bürger der Stadt eines Tages, nachdem er durch das Land gezogen war, mit den schleierhaften Ideen und einem eigenartigen Gefühl der inneren Leere ein. Er war reich, stark und absolvierte eine militärische Karriere, aber er fühlte, dass ihm das nicht reichte. Er betrat das kleine, leere und baufällige Kirchlein. Die warme und wohlige Atmosphäre vermittelte ihm sofort ein Gefühl des Friedens. Er setzte sich in eine der Kirchenbänke vor dem Altar und betrachtete das Kreuz über dem Altar. Eine geformte, gekonnt bemalte, jedoch flache Holzplatte. Auf der Höhe des Kopfes nur eine Halbkugel aus Holz, die zutage trat und an der Oberfläche dem Gesicht von Jesus Dreidimensionalität verlieh. Franziskus beobachtete mit erhobenem Kopf das Gesicht, das sich zu ihm herunterzubeugen schien, als er auf einmal das Gefühl hatte, dass ihn die Augen anblickten und der Mund sprach: „Vade Francisce, repara domum meam!“. Das im 12. Jahrhundert von einem bislang unbekannten Künstler bemalte Kreuz ist noch heute dort vorzufinden, wo Franziskus es betrachtete, auch wenn es sich dabei lediglich um eine Kopie handelt. Das Original wurde von den Klarissen mitgenommen, als sie 1257 vom Kloster S. Damiano ins Kloster bei der Basilica di S. Chiara übersiedelten, wo es sich bis heute befindet.
„Gehe und baue mein Haus wieder auf“ waren die Worte, die Jesus zu Franziskus sprach. So übernahm Franziskus eine wichtige Mission und sein Herz war erleichtert. Zu Beginn verstand er die Bedeutung nicht und gemäß der Legende beschäftigte er sich mit der Restaurierung der Kirche S. Damiano selbst, weil er der Meinung war, dass Christus von diesem „Haus“ gesprochen hatte. In Wahrheit hatte er jedoch vom „Haus“ aller Seelen gesprochen, also der Kirche als Institution, die zur damaligen Zeit eine schwere Krise erlebte. Das verstand der Heilige Franziskus erst später. Sobald er die mahnenden Worte gehört hatte, machte sich der Heilige auf den Weg nach Foligno, verkaufte sein Pferd und die Stoffe aus dem Laden des Vaters und brachte den Erlös zum Kaplan von S. Damiano. Das Geld wurde abgelehnt, aber Franziskus gab sich noch nicht geschlagen und entschlossener denn je, die ihm zugeteilte Aufgabe zu erfüllen, wartete er, bis er von niemandem gesehen wurde und warf das Geld durch eines der Kirchenfenster. Das Fenster ist im Inneren der Kirche bis heute zu erkennen. Es befindet sich an der rechten Seite und ist von Fresken aus dem 14. Jahrhundert umgeben, die an diesen Augenblick erinnern. In S. Damiano lebte die Hl. Klara 41 Jahre lang und starb auch dort. Hier wurde dank ihrer Anstrengungen sowie mit der Unterstützung ihres Meisters, des Hl. Franziskus, der Orden der Klarissen gegründet. Vom Hauptschiff der Kirche aus führt eine Treppe in das Obergeschoss, wo sich das Oratorium sowie der Schlafsaal, in der die Heilige ihren letzten Atemzug nahm, befinden.
Außen ist die Kirche wie alle Franziskanerklöster einfach und karg gestaltet. Die Fassade verfügt im unteren Bereich über ein Tor, das aus drei Rundbögen besteht, die von Pfeilern aus Ziegeln gehalten und von einer runden Rosette überragt werden. Sofort nach dem Eintreten in das Gebäude ist sein Alter zu erkennen, sobald man bemerkt, dass das bescheidene Hauptschiff der Kirche nicht die gesamte Breite der Fassade einnimmt. Denn die Fassade enthält auch andere Gebäude und Räume, die an die Kirche angrenzen. Sie sind das Ergebnis der ununterbrochenen Änderungs-, Restaurierungs- und Modernisierungsarbeiten, die bereits ab dem 8.-9. Jahrhundert, also ab dem Zeitpunkt der Errichtung der Kirche, über den Lauf der Jahre durchgeführt wurden. Im Inneren unterscheidet sich die Bauweise der Kirche nicht besonders von jener in der Kirche, in der Franziskus und Klara beteten – insbesondere die Apsis, der älteste Bereich, mit einem niedrigeren Gewölbe im Vergleich zur Aula und einem wunderschönen Chor aus Holz aus dem 16. Jahrhundert. Dahinter befindet sich ein kleines, verriegeltes Fensterchen. Von dort wohnten Klara und ihre Mitschwestern der Heiligen Messe bei, versteckt aufgrund der Abgeschiedenheit von der Öffentlichkeit. Dorthin wurde auch der Leichnam von Franziskus zum letzten Gruß gebracht. In der Mitte der rechten Seitenwand befindet sich eine rechteckige Kapelle, die ein wertvolles Kreuz aus Holz, geschnitzt von Innocenzo da Petralia im Jahr 1637.
Außerdem verfasste der teilweise erblindete Franziskus während seiner letzten Lebensjahre in S. Damiano den Sonnengesang, das erste poetische Werk in der Sprache „Volgare“, also auf Italienisch. Im Inneren des Wallfahrtskirchleins befindet sich auch eine kleine Ausstellung, mit der diese Legende gefeiert wird. Sie trägt den Namen Galleria del Cantico (Galerie des Sonnengesangs). Ein Großteil der Kollektion besteht aus einer Reihe originaler Kupferstiche, die vom Sonnengesang inspiriert sind und von einer Gruppe aus umbrischen Meistern geschaffen wurden – alles Schüler von Padre Diego Donati, einem der besten Holzschneider im 20. Jahrhundert. Diego Donati ist auch ein Raum im Kloster Convento di Monteripido in Perugia gewidmet, in dem über 200 grafische Kunstwerke des meisterhaften Franziskaners ausgestellt sind.