Unmittelbar unterhalb der Piazza del Comune befand sich ein altes Haus im Besitz eines Einwohners von Assisi, genauer Giambattista Bini. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts war dieses Haus ein Ziel für Pilger, denn einige Dokumente bezeugten, dass es einem Neffen von Franziskus, Piccardo D’Angelo, vererbt wurde. Diese Beweise ließen die Annahme entstehen, dass genau in diesem Haus der Sohn des reichen Textilhändlers Pietro di Bernardone seine Kindheit verbrachte und die Inspiration für seine späteren heiligen Missionen erhielt. Bini schien sich jedoch nicht besonders für die Geschichte dieses so wichtigen Ortes zu interessieren, denn am Beginn des 17. Jahrhunderts war das Gebäude teilweise vernachlässigt. Der damalige Vorsteher der Ordensbrüder, ein Spanier mit dem Namen Antonio de Trejo, erkannte jedoch die Bedeutung des Gebäudes, auch wenn der Orden zur damaligen Zeit nicht mehr im Glanz der vergangenen Jahrhunderte erstrahlte und nicht über ausreichend Geld verfügte, um Arbeiten zu veranlassen, die dem Elternhaus von Franziskus wieder Leben einhauchten und es würdig erschienen ließen. Der Ordensbruder gab sich jedoch nicht geschlagen und es begann ein langer Zeitraum, über den reger Schriftverkehr samt Apellen an die Wohltätigkeit von freiwilligen und vermögenden Wohltätern erfolgte. Der Kult des Hl. Franziskus war damals im besonders katholischen Königreich Spanien weit verbreitet, aber Antonio de Trejo konnte sich nicht einmal vorstellen, dass einer der ersten, der auf seine Schreiben antwortete kein geringerer als der König, Philipp III., höchstpersönlich war. Am 27. November 1614 übermittelte der spanische Botschafter des Heiligen Stuhls die Bitte des Vorstehers um eine außergewöhnliche Zuwendung von 6.000 Dukaten an den König, um das Haus kaufen und in einen Wallfahrtsort verwandeln zu können. Der König unterzeichnete die Bitte, begleitet mit einem Sprichwort „Como os parece“, höchstpersönlich.
Der auf dem ehemaligen Wohnhaus von Giambattista Bini errichete Kirche wurde der Name „S. Francesco Converso“ gegeben, aber niemand nannte sie jemals so. Seit dem Beginn ihrer Errichtung sagten die Einwohner Assisi zu dieser Kirche „Chiesa Nuova“, und dieser Name blieb bis heute erhalten. Der Name selbst lässt uns über die Anzahl der im Mittelalter in der Stadt vorhandenen Kirchen nachdenken, denn es waren so viele, dass die Errichtung einer Kirche in der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert ein derart besonderes und einzigartiges Ereignis war, dass die Kirche einfach als „Chiesa nuova“ (neue Kirche) bezeichnet werden konnte.
Die Kirche wurde im barocken Stil errichtet und dekoriert, wodurch sich ihre „Neuartigkeit“ gegenüber den anderen romanischen und gotischen Kirchen auszeichnet, die mehrheitlich in Assisi vorzufinden sind. Außen bezeugen die Fassade aus rosaroten Ziegeln, die dekorativen Lisenen und das Tor aus weißem Travertin-Gestein diesen Unterschied ganz deutlich. Ein weiterer Unterschied zu den bereits bestehenden Kirchen in der Stadt sind der Grundriss – er weist die Form eines griechischen und nicht eines lateinischen Kreuzes auf – sowie die verzierten und geschwungenen Dekorationen im Inneren, die fast alle bemalt sind und von den damals wichtigsten Künstlern der Region wie Cesare Sermei und Giacomo Giorgetti geschaffen wurden. Am Eingang, in einer Ecke, erinnert etwas an die Geschichte dieses Ortes: Eine kleine Nische, die durch ein Gitter aus Eisen verschlossen ist und in deren Inneren sich eine Statue des betenden Franziskus befindet, weist auf den Ort hin, an dem Pietro di Bernardone seinen rebellischen Sohn einschloss, da er all seine Stoffe verkauft und den Erlös für die Renovierung des Konventes Santuario di S. Damiano gespendet hatte.
Außerhalb des Klosters betritt man tatsächlich das, was von den Räumen, in denen Franziskus seine Kindheit verbracht hatte und in denen das Verhältnis zum immer schlechter wurde, um schließlich für immer zu zerbrechen, übriggeblieben ist. Einige Stufen tiefer liegt das Erdgeschoss des alten Wohnhauses, der Bereich, in dem die Familie arbeitete und ihre Stoffe verkaufte. Wer den Blick zum Boden richtet sieht noch heute die alte Straße, die perfekt erhalten ist und zu der das Geschäft ausgerichtet war, die jedoch später in den Grundriss der Kirche integriert wurde.
An das Kloster der Kirche ist auch eine Bibliothek angeschlossen, in der wertvolle Raritäten des Franziskus-Kultes aufbewahrt werden: Bilderhandschriften, Pergamente, Inkunabeln, Schriftstücke und andere, sehr alte Dokumente. Insgesamt 16.000 Ausgaben begleiten Sie auf einer Reise durch die Zeit.
Dank der kontinuierlichen Erforschung jener Orte, die der verarmte Heilige aufsuchte, richtete Piccardo D’Angelo im 14. Jahrhundert einen Raum des Hauses wieder ein und errichtete einen kleinen Gebetsraum. Er behauptete, dass ausgerechnet dieser Raum – wie es eine Inschrift aus dem 15. Jahrhundert über dem Eingang bezeugt – „der Stall eines Ochsen und eines Esels [war], in dem der Hl. Franziskus, der Spiegel der Welt” geboren wurde. In Wahrheit ist die Legende um die Geburt von Franziskus in einem Stall, wie es seiner tiefgläubigen Mutter von einem Bettler angeraten wurde, zwar sehr alt, jedoch nicht durch historische Quellen belegt und auch nicht in den ersten Biografien über den Heiligen wie etwa von Tommaso da Celano oder Bonaventura da Bagnoregio erwähnt. Dennoch wird dem Gebetsraum Oratorio di S. Francesco Piccolo dadurch nicht seine mythische und spirituelle Aura genommen, die ihm als jahrelanges Pilgerziel verliehen wurden. Dies gilt übrigens auch für alle anderen Orte der Stadt, die von der tatsächlichen oder übertragenen Anwesenheit einer der revolutionärsten Persönlichkeiten der Geschichte berührt wurden.